Das 37. BOLZANO FILM FESTIVAL BOZEN (12. – 21. April 2024) wird am Freitag, den 12. April 2024 mit der Vorführung des Stummfilms Blind Husbands von Erich von Stroheim aus dem Jahr 1919 offiziell eröffnet.
Am Eröffnungsabend wird Stroheims Regiedebüt in den drei Sälen des Filmclubs in einer restaurierten und viragierten Fassung des Österreichischen Filmmuseums in Wien und, dank der Zusammenarbeit mit dem Südtirol Jazz Festival Alto Adige, zum ersten Mal in Italien mit Live-Musikbegleitung gezeigt. Der dem Bergführer Sepp Innerkofler gewidmete Film Blind Husbands wurde in den Universal Studios vor der Kulisse der Dolomiten von Cortina d’Ampezzo gedreht und war seinerzeit ein großer Erfolg.
Den Abschluss des Festivals bildet am Samstag, den 21. April das kleine animierte Meisterwerk Linda will Hühnchen! von Chiara Malta und Sébastien Laudenbach, das beim Animationsfestival in Annecy als bester Film ausgezeichnet wurde.
In diesem Jahr werden die Preise für das Lebenswerk des BFFB in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsamt der Stadt Bozen an das Regieduo Yervant Gianikian und Angela Ricci Lucchi sowie an die Produktionsfirma Vivo film von Marta Donzelli und Gregorio Paonessa verliehen. Yervant Gianikian und Angela Ricci Lucchi, originelle und außergewöhnliche Protagonisten des Kinos und der visuellen Künste, werden außerdem mit der Vorführung von sechs Filmen geehrt. Yervant Gianikian wird den Preis stellvertretend für die beiden für das außergewöhnliche Ensemble ihres Filmschaffens am Donnerstag, den 18. April entgegennehmen. Der Preis für das Lebenswerk von Vivo Film für „die Hingabe, Leidenschaft, das Können und Feingefühl, mit dem Marta Donzelli und Gregorio Paonessa Stoffe entwickeln und Filmemacher/-innen begleiten“, wird am Sonntag, dem 14. April, verliehen.
Das BFFB 37 würdigt gemeinsam mit dem Frankfurter Lichter Filmfest außerdem den vor zehn Jahren verstorbenen Produzenten, Verleiher und Regisseur Karl ‚Baumi‘ Baumgartner. An 3 Abenden wird eine Auswahl seiner schönsten Filme gezeigt, die er als „Hebamme des Kinos“, wie er sich selbst gerne bezeichnete, ans Licht gebracht hat.
Diese 37. Ausgabe spiegelt die Entwicklung eines Profils wider, das sich seit der Ausgabe 2023 – der ersten unter der künstlerischen Leitung von Vincenzo Bugno – herauskristallisiert hat und das die Region, das Gebiet und die umliegenden Territorien als Inspirationsquelle, als Idee betrachtet. Aber auch ein fruchtbarer Boden, um sich anderen Welten zu öffnen, sowohl in geografisch-kultureller als auch in rein kinematografischer Hinsicht. Die Grenze wird nicht als Grenze, sondern als Ausgangspunkt gesehen. Sprachen, ethnische Minderheiten. Ethnische Minderheiten, wie sie heute definiert werden, die vielleicht zu Minderheiten gemacht wurden, verfolgt und diskriminiert durch die Geschichte, durch den Kolonialismus.
Es ist daher kein Zufall, dass das BFFB 37 dem brasilianischen indigenen Kino den Focus widmet. Ein vielschichtiges Kino, in dem wir die militanten Produktionen des authentischen politisch-kulturellen Widerstands lokaler Kollektive, die Produktionen einiger Regisseur/-innen mit beträchtlicher Produktionserfahrung und die Werke einiger nicht-indigener Regisseur/-innen finden, die in ihrer Aufmerksamkeit für indigene Themen eine Notwendigkeit, ein ziviles Engagement, eine wichtige Arbeit der Dekolonisierung gesehen haben. Und sie haben oft zur Entstehung des indigenen Kinos beigetragen, jenseits jeder paternalistischen (maternalistischen…) oder kulturellen Überlegenheitshaltung. Die meisten der in der Sektion Focus präsentierten Werke sind in Yanumani oder in einer Mischung aus indigenen Sprachen und brasilianisch-portugiesisch, und die Verbindung mit Kleinsprachen DOC ergibt sich automatisch. Kleinsprachen DOC ist die Sektion, die das BFFB in Zusammenarbeit mit dem Masterstudiengang Angewandte Linguistik der Freien Universität Bozen und dem Kulturverein La Fournaise dem Thema der sprachlichen Minderheiten widmet, um eine Brücke zwischen der Mehrsprachigkeit Südtirols und den vielfältigen Kontexten zu schlagen, in denen in der heutigen Welt andere Sprachen als die Mehrheitssprachen verwendet werden.
Minderheiten, Sprachen und Konflikte sind Inhalte, die auch im Wettbewerb des BFFB 37, der für Dokumentar- und Spielfilme offen ist, und in der Sektion RealeNonReale, die ein weiteres Dokumentarfilmprogramm anbietet, immer wieder auftauchen. Es sind allesamt starke, originelle Filme, die uns nicht gleichgültig lassen und die Themen behandeln, die uns im täglichen Leben oft begegnen und mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Die uns einbeziehen, auch wenn sie manchmal weit weg zu sein scheinen. Und die uns einerseits durch die Dichte ihres Inhalts beeindrucken, uns aber gleichzeitig durch ihre Leichtigkeit überraschen und die leichte Widersprüchlichkeit unserer Existenzen vermitteln. Intime Werke. Lustige Werke. Werke, die sehr oft weiblich sind. Oder die den weiblichen Körper in den Mittelpunkt der Erzählung und des Bildes stellen. Wie in den beiden deutschen Filmen Touched von Claudia Rorarius und Ivo von Eva Trobisch. Wie in Tempo d’attesa von Claudia Brignone in der Sektion RealeNonReale. Aber auch in Mit einem Tiger schlafen von Anja Salomonowitz, einer faszinierenden Hybridbiografie der österreichischen Künstlerin Maria Lassning. Werke, die sich mit aktueller und ferner Geschichte auseinandersetzen: Souvenirs of War des deutschen Filmemachers Georg Zeller, der italienische Animationsfilm Invelle von Simone Massi. Mit dem Kolonialismus wie in Togoland Projektionen von Jürgen Ellinghaus. Oder wie in Puan von María Alché und Benjamín Naishtat, ein Film von leichter Komplexität, eine urkomische philosophische Komödie. Oder die all das erzählen, was in diesen Tagen um uns herum passiert: wie Südsee von Henrika Küll, der ausgehend von einer undefinierten Freundschaft zwischen zwei Jungen die chronische Komplexität der Beziehungen zwischen Deutschland, der jüdischen Welt und Israel untersucht. Nicht zu vergessen My Stolen Planet, der autobiografische Essay der iranischen Regisseurin Farahnaz Sharrifi: ein Versuch, die eigene Erinnerung und die eines ganzen Landes zu retten, bei dem die Solidarität innerhalb einer Gruppe von Freundinnen zur Opposition wird, zu einer Strategie des Widerstands.
Allesamt italienische, deutsche, österreichische und schweizerische Produktionen und Koproduktionen. Wobei die nationale Definition nicht notwendigerweise eine geografische und kulturelle Begrenzung bedeutet. Es sind alles Werke mit einer starken und originellen künstlerischen Identität.
Ein sehr großer Teil der in den beiden Sektionen angebotenen Titel sind italienische Erstaufführungen.
BFFB Special ist die Sektion, in der Autorenfilme gezeigt werden, die mit anderen Filmen des Programms verknüpft sind, wie zum Beispiel die Animationsfilme von Simone Massi oder Maria Lassnig – der Künstlerin, der Anja Salomonowitz im Wettbewerb Mit den einen Tiger schlafen gewidmet hat. Auch eine Auswahl von Kurzfilmen der Berlinale 2024 und einige Filme von Studierenden der Filmschule ZeLIG werden hier gezeigt. Es mangelt nicht an Spielfilmen, die uns besonders beeindruckt haben, wie Deer Girl von Francesco Jost, Persona non gratavon Antonin Svoboda – einer der Filme, die in den letzten Wochen die Aufmerksamkeit des österreichischen Publikums besonders auf sich gezogen haben – und Pepe von Nelson Carlo De Los Santos Arias, eine wahre Offenbarung der diesjährigen Berlinale, ausgezeichnet mit dem Silbernen Bären für die beste Regie: einer der überraschendsten Filme dieses ersten Teils des Jahres, angefangen bei der Hauptfigur, einem Nilpferd.
Wofür interessieren und womit beschäftigen sich junge Filmemacher/-innen in der Region? Und wie sehen sie das Leben und die Gesellschaft um sie herum? Mit der Sektion Local Heroes versucht das BFFB, diese Fragen zu beantworten. Die anngebotenen Produktionen sind ein fester Bestandteil des Festivalprogramms und vermitteln die filmische Identität der Region. Einige wurden mit großer Unterstützung der IDM entwickelt und produziert, andere sind Low-Budget-Filme, aber alle sind auf ihre Weise durch einen roten Faden verbunden: Es sind Geschichten, die von Grenzerfahrungen erzählen.
Mit den BFFB Industry Days bietet das Festival zum ersten Mal auch einen „Industry“-Rahmen, in dem bestehende Initiativen vorgestellt werden, die nun in die Arbeit des BFFB einfließen, und wo ebenso neue, internationale Initiativen vorgestellt werden, die aus der mehr als fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen dem BOLZANO FILM FESTIVAL BOZEN und der Film Commission von IDM Südtirol entstanden sind.