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37. BOLZANO FILM FESTIVAL BOZEN: Focus – indigenes brasilianisches Kino

Anlässlich seiner 37. Ausgabe legt das BOLZANO FILM FESTIVAL BOZEN, das seit jeher ein besonderes Augenmerk auf geografische, ethnische und sprachliche Minderheiten legt, nach dem spanisch-galizischen Kino im vergangenen Jahr nun einen Schwerpunkt auf das brasilianische indigene Kino.

Vincenzo Bugno, künstlerischer Leiter des Bozner Filmfestivals: „Sich mit dem brasilianischen indigenen Kino zu befassen, bedeutet, den Volksgruppen einen Raum zu widmen, die durch die Geschichte zu ethnischen und sprachlichen Minderheiten geworden sind. Es bedeutet, über Kolonisierung und Dekolonisierung zu sprechen, über die Beziehung dieser Gemeinschaften und die Erfahrungen der Einzelnen mit der vorherrschenden Kultur und der Moderne nachzudenken. Es ist ein Kino, das die Erinnerung an die Kultur der indigenen Völker bewahren will und die Diskriminierung und das Leid, dem sie ausgesetzt waren, nicht vergisst. Von Filmemacher*innen, die im Akt des Filmens einen Moment der Unbeugsamkeit und der Resilienz sehen.“

Mit einem klaren und kohärenten Programm präsentiert FOCUS – Indigenes brasilianisches Kino Werke von nicht-indigenen, aber stark an indigenen Themen interessierten Filmemacher*innen sowie Dokumentarfilme oder Werke indigener Künstler*innen oder Kollektive, die sich der Fiktion oder einer Vielfalt anderer künstlerischer Formen widmen.

Zu diesen gehört auch Takumã Kuikuro, der beim BFFB 37 als Gast anwesend sein wird. Kuikuro ist Angehöriger des Kuikuro-Volkes und im indigenen Xingu-Reservat im brasilianischen Amazonas-Regenwald aufgewachsen. 

FOCUS – Indigenes brasilianisches Kino wurde gemeinsam von Paulo Roberto de Carvalho, Produzent und Mitbegründer von Autentika Films, und Festivaldirektor Vincenzo Bugno kuratiert, in Zusammenarbeit mit dem Produzenten und Regisseur Felipe Bragança. 

WERKE INDIGENER REGISSEUR*INNEN

Drei Programmblöcke mit insgesamt 10 Kurzfilmen, einem mittellangen Film und einem Langfilm.

Das erste Programm ist vor allem dem Werk des BFFB-Gastes Takuma Kuikurogewidmet, dem Co-Autor des mehrfach international ausgezeichneten Spielfilms The Hyperwoman (As Hiper Mulheres), einem Zeugnis eines archaischen, freudigen Rituals, das (fast) ausschließlich weiblich ist.


AS HIPER MULHERES (THE HYPERWOMEN)
Carlos Fausto, Leonardo Sette, Takumã Kuikuro (BRA 2011, 80′, Portugiesisch)
Kanu ist die einzige Frau ihres Dorfes, die alle Lieder kennt, die zum Ritual der „Überfrauen“ gehören. Die Zeit ist gekommen, ihr Wissen weiterzugeben. Ein erheiterndendes Portrait über die Geschlechterbeziehungen bei den Kuikuro.


FEBRE DA MATA (JUNGLE FEVER)
Takumã Kuikuro (2023, 11′)
Der Schamane und seine Familie gehen fischen. Während des Angelausflugs nähert sich ein Jaguar und fängt an, verängstigt zu bellen, um Hilfe zu suchen.


YAÕKWÁ, IMAGEM E MEMÓRIA (YAÕKWÁ, IMAGE AND MEMORY)
Rita Carelli, Vincent Carelli (BRA 2020, 21′, Enawene Nawe)
Das Yaõkwa ist ein langes Ritual, das vom Volk der Enawenê-nawê im Bundesstaat Mato Grosso durchgeführt wird, um die Geister zu speisen und zu besänftigen. 

Im zweiten Programm, das dem Kino indigener Filmemacher*innen gewidmet ist, sind hauptsächlich Dokumentarfilme, aber auch einige Spielfilme zu finden. Werke, die das Publikum in die indigenen Kulturen, die Sprachen, das tägliche Leben dieser Bevölkerungsgruppen und ihre Feste eintauchen lassen. Sie lassen an dem Wunsch teilhaben, aktive Protagonisten zu sein und die Schaffung unserer eigenen Bilder nicht an andere zu delegieren.


ABDZÉ WEDE’Õ – VÍRUS NÃO TEM CURA? 
Divino Tserewahú (Mato Grosso 2021, 55′, Portugiesisch, Yanomami)
Divino Tserewahú dokumentiert in seinem Film Abdzé Wede’õ die Rituale der Totenverehrung und die Trauer um den Tod von Dutzenden von Ältesten und Anführern des Dorfes Sangradouro während der Covid-19-Pandemie und kontrastiert damit die für die Xavante-Kultur charakteristische reiche Symbolik von Schönheit, Wissen und spiritueller Stärke.


AGUYJEVETE AVAXI’I
Kerexu Martim (BRA 2023, 20’)
Im Dorf Kalipety, wo sich einst eine trockene und degradierte Fläche befand fängt das Guarani-Volk der M’bya mit dem Anbau traditioneller Maissorten an.


MÃRI HI (THE TREE OF DREAM)
Morzaniel Ɨramari (BRA 2023, 17’, Yanomami)
Wenn die Blumen des Mãri-Baumes blühen, entstehen Träume. Die Worte eines großen Schamanen leiten eine spirituelle Erfahrung an.


THUË PIHI KUUWI (A WOMAN THINKING)
Aida Harika Yanomami, Edmar Tokorino Yanomami, Roseane Yariana Yanomami (BRA 2023, 9’, Yanomami)
Eine Yanomami-Frau beobachtet einen Schamanen bei der Vorbereitung des Yãkoana, das ihnen den Zugang zur Welt der Geister ermöglicht.


YURI U XËATIMA THË (THE FISHING WITH TIMBÓ)
Aida Harika Yanomami, Edmar Tokorino Yanomami, Roseane Yariana Yanomami (BRA 2023, 10’, Yanomami)
Zwei junge Yanomami-Filmemacher*innen beschreiben den Prozess des indigenen Fischfangs mit Timbó, einer Rebe, deren Gift traditionell zum Betäuben von Fischen verwendet wird. 


Das dritte Programm, das dank der Zusammenarbeit mit dem Filmemacher Felipe Bragança möglich wurde, präsentiert die Werke von Zahy Tentenhar und Denilson Baniwa, Autor*innen im Grenzbereich zwischen Kino und bildender Kunst. Denilson ist einer der Kuratoren des brasilianischen Pavillons auf der 60. Internationalen Kunstausstellung der Biennale von Venedig.  

AIKU’È ZEPÉ
Zahy Tentehar (Maranhão 2017, 12’)
Dieses Projekt entstand aus dem Bedürfnis heraus, die Sorgen als Körper und als indigene Frau auszudrücken, die versucht im von der „Zivilisation“ hinterlassenen Chaos zu überleben.


COLHEITA MALDITA (CURSED HARVEST)
Denilson Baniwa (Mato Grosso 2022, 12’)
Im Jahr 2021 hat der Vormarsch der Agrarindustrie auf die Wälder seinen Höhepunkt erreicht, begünstigt durch das katastrophale Projekt des derzeitigen Präsidenten Jair Bolsonaro.


KARAIW A’E WÀ / OS CIVILIZADOS 
Zahy Tentehar (Maranhão 2021, 29’)
Der Film erzählt von unserem Versagen als Menschen, von der Verhärtung ihrer Fähigkeiten und der Entmachtung ihrer physischen und philosophischen Sinne.


ZAHY 
Felipe Bragança, Zahy Guajajara (ITA 2012, 5’, Italienisch, Englisch)
Zahy Guajajara, 23, ist eine der indigenen Anführerinnen eines Dorfes in der Nähe des Maracanã, im ehemaligen Indigenen Museum, das in Rio de Janeiro vom Abriss bedroht ist.

WERKE NICHT-INDIGENER REGISSEUR*INNEN

Die Kuratoren hielten es für wichtig, auch diese 3 Werke vorzustellen. Es sind aufmerksame Zeugnisse, Filme gegen das Wegschauen und spiegeln die Facetten der verschiedenen Filmgenres in der Sektion wider. 


CROWRà(THE BURITI FLOWER)
João Salaviza & Renée Nader Messora  (BRA/PRT 2023, 124’, Krahô, Portugiesisch)
Das Volk der Krahô lebt im brasilianischen Regenwald in einer eigenen Zeit. Auf Mobiltelefonen verfolgen sie die Rede einer indigenen Aktivistin in der Hauptstadt, zugleich wird ein lange schon zurückliegendes Massaker, das die „cupe“ (die Weißen) einst an ihren Vorfahren verübt hatten, als identitätsstiftendes Ereignis erinnert.


A FEBRE (THE FEVER)
Maya Da-Rin (BRA/FRA/DEU 2019, 98’, Tucan, Portugiesisch)
Manaus ist eine Industriestadt inmitten des Amazonas-Regenwaldes. Justino, ein 45-jähriger Angehöriger des indigenen Volkes der Desana, arbeitet als Wachmann im Frachthafen. Seit dem Tod seiner Frau ist seine jüngste Tochter, mit der er in einem Haus am Stadtrand lebt, seine wichtigste Bezugsperson.


MARTIRIO
Vincent Carelli, Tatiana Almeida, Ernesto de Carvalho (BRA 2016, 162’, Portugiesisch, Guaraní, Spanisch)
Der indigene Experte und Filmemacher Vincent Carelli hat 40 Jahre lang gefilmt, um die Ursprünge des Völkermords an den Guaraní Kaiowá zu ergründen. Ein Konflikt mit unverhältnismäßigen Kräften: Der friedliche und hartnäckige Aufstand der enteigneten Guaraní Kaiowá gegen den mächtigen Apparat der Agrarindustrie.