16. September 2016

M100 erfolgreich zu Ende gegangen

News

16.09.2016. Mit der festlichen Verleihung des M100 Media Awards an den italienischen Schriftsteller und Journalisten Roberto Saviano („Gomorrha“) ist die internationale Medienkonferenz M100 Sanssouci Colloquium heute Abend in der Orangerie von Potsdam erfolgreich zu Ende gegangen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt die politische Hauptrede des glanzvollen Abends. Sie war damit zum dritten Mal beim M100 Media Award. An Roberto Saviano, der seit Erscheinen seines Buchs vor zehn Jahren über die neapolitanische Camorra von der Mafia bedroht wird und mit seiner Familie unter Polizeischutz ein Leben im Untergrund führt, wendete sie sich mit einem klaren Bekenntnis zur Pressefreiheit: „Wir müssen die Pressefreiheit immer wieder aufs Neue verteidigen und uns immer wieder daran erinnern, wie schnell sie in Gefahr geraten kann – auch bei uns in Europa. Pressefreiheit besteht aus der Abwesenheit staatlicher Einflussnahme und Zensur. Pressefreiheit umfasst auch die Freiheit, Missstände aufdecken und über sie berichten zu können, ohne Nachteile oder gar Gefahren befürchten zu müssen.“ Und sie schloss mit Bezug auf das am Nachmittag abgehaltene M100 Sanssouci Colloquium ein weiteres Bekenntnis an, nämlich für ein geeintes Europa:So wie sich der M100 Media Award als europäischer Preis versteht, so richtet auch das Kolloquium, in dessen Rahmen er heute verliehen wird, seinen Blick auf die Situation in Europa.“ Und weiter: „Niemals dürfen wir vergessen, dass wir es maßgeblich der europäischen Integration zu verdanken haben, wenn wir heute nicht mehr auf einem Kontinent der Kriege, der Unfreiheit und der Gegensätze leben, sondern immer noch in einer Union des Friedens, der Freiheit, des Wohlstands, der Stabilität und der guten Nachbarschaft. Die Europäische Union hat in ihrer Geschichte vieles erreicht, was für vergangene Generationen kaum vorstellbar war. Auch jenseits der großen historischen Linien, in unserem Alltag, profitieren wir täglich von europäischer Integration; und zwar häufig, ohne es uns bewusst zu machen: durch freies Reisen, durch unsere gemeinsame Währung, durch unsere vielfältigen persönlichen Begegnungen.“

Die Laudatio auf Roberto Saviano hielt der Chefredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT Giovanni di Lorenzo. Di Lorenzo lobte die Auszeichnung für Saviano: „Roberto Saviano ist angewiesen auf den Rückhalt jener Gesellschaft, der er mit seiner Arbeit immer wieder die Augen geöffnet hat – gerade weil manche ihre Augen lieber wieder schließen, sich wegdrehen, von all dem nichts wissen wollen.“  Und weiter: „Ein Abend wie dieser trägt dazu bei, Roberto Saviano in seiner Heimat wieder ein Stück sicherer zu machen. Es ist nämlich ein großartiges Zeichen der Solidarität, das er hier in Potsdam erlebt – durch die Verleihung des M100 Media Awards. ‚Es wird Situationen geben’, hat Roberto einmal gesagt, ,in denen ich angreifbarer sein werde, weil man mich weniger beachtet. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist für ihn nicht nur schmückendes Beiwerk oder schmeichelnde Geste. Sie ist eine Art Lebensversicherung.“

Roberto Saviano selbst bedankte sich für den Preis und rief die anwesenden europäischen Pressevertreter dazu auf, den Mut zu haben, komplexe Zusammenhänge auch als solche darzustellen und nicht zu verkürzen. Er widmete seinen Preis dem türkischen Journalisten und Autor Ahmet Altan und seinem Bruder, dem Wirtschaftsprofessor Mehmet Altan, die am 10. September in der Türkei inhaftiert wurden.

Unter der Überschrift „War or Peace“ diskutierten die rund 70 Teilnehmer der inzwischen 12. Ausgabe des M100 Sanssouci Colloquiums den Tag über in einem Roundtable-Format die Rückkehr geopolitischer Handlungsstrategien, die schleichende europäische Desintegration, die zunehmende Radikalisierung westlicher, nahöstlicher und anderer Gesellschaften sowie die Rolle und Verantwortung der Medien in diesen Entwicklungssträngen. Eröffnet wurde das M100 Sanssouci Colloquium von dem renommierten Historiker Prof. Dr. Dan Diner, der an der Hebräischen Universität Jerusalem moderne Geschichte lehrt und zwischen 1999 und 2004 Direktor des Simon-Dubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig war. Er warnt vor derzeit erkennbaren „Mustern politisch-militärischen Handelns, die auf Lagen verweisen, die verstörend an das 19. Jahrhundert gemahnen. In erster Linie auf die Konstellation des Krim-Krieges 1853/56.“ Diese „mögliche geopolitisch semantisierte Konfliktkonstellation würde verschärft Fragen nach der Zukunft des europäischen Einigungsprojekts im Allgemeinen und die Rolle Deutschlands im Besonderen nach sich ziehen.“

Die Konferenz gliederte sich sodann in drei Sessions, die jeweils unterschiedliche Aspekte des Leitthemas beleuchteten sowie einen Special Talk.

Session 1 betrachtete unter dem Titel „All for None, and None for All?“ die Krise der Solidarität innerhalb der EU, „einer EU zwischen Autokraten und Zerfall“, wie ein Teilnehmer sie beschrieb, deren Mitgliedsstaaten kaum noch zu gemeinsamen Entscheidungen finden, was zu einer strukturellen europäischen Handlungsunfähigkeit führt.

Session 2 beleuchtete die Außenpolitik der EU angesichts multipler Krisen wie der Flüchtlingskrise oder kriegerischer Auseinandersetzungen im Nahen Osten, Libyen, in der Ukraine oder auch die alarmierende Situation in der Türkei.

Schließlich brach Session 3 unter dem Titel „The first Casualty is Truth. Europe´s Media and the Information Crisis“ das Oberthema auf die Rolle und Verantwortlichkeiten der Medien herunter. Geben Medien tatsächlich in einer zunehmend komplexeren Welt Orientierung? Welche Rolle spielen sie in dem aufgeheizten Klima zwischen Terrorgefahr, Flüchtlingsströmen, Überwachungswahn, politischem Kontrollverlust und einem sich zunehmend destabilisierenden Europa?

In einem Special Talk befragte Kai Diekmann, Herausgeber der BILD-Gruppe, Can Dündar, den ehemaligen Chefredakteur der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet zur aktuellen Lage in der Türkei. „Die Situation in der Türkei ähnele einem Frankenstein-Szenario“, so Dündar. „Die Kreatur – die Gülen Bewegung – habe sich gegen seinen Kreateur gewendet – Erdogan“. Erdogan habe die Gülen-Bewegung erst groß gemacht, als es noch darum ging, die staatlichen Institutionen mit Getreuen zu durchsetzen. „Daher wissen sie auch so genau, wer dazu gehört,“ erklärte Dündar die schnellen Verhaftungen tausender Staatsbediensteter in der Türkei nach dem versuchten Putsch.

Zu den Teilnehmern des M100 Sanssouci Colloquiums und des M100 Media Awards zählten u.a.  Stephan-Andreas Casdorff (Chefredakteur Der Tagesspiegel, Berlin), Ulrich Deppendorf (ehem. Leiter ARD Hauptstadtstudio), Jim Egan (CEO BBC Global News, London), Sedat Ergin (Chefredakteur Hurriyet, Istanbul), Dr. Alexandra Föderl-Schmid (Chefredakteurin Der Standard, Wien) Prof. Dr. Ulrike Guérot (European Democracy Lab, Berlin), Götz Hamann (Die Zeit, Hamburg), Philipp Jessen (Mitglied der Chefredaktion Stern), Matthew Kaminski (Executive Editor Politico, Brüssel), Tanit Koch (Chefredakteurin Bild), Stefan Kornelius (Leiter des außenpolitischen Ressorts Süddeutsche Zeitung), Anne McElvoy (The Economist, London), Richard Martyn-Hemphill (The Caucasus Initiative, Lettland), Christian Mihr (Geschäftsführer Reporter ohne Grenzen), Sonia Mikich (Chefredakteurin, WDR, Köln), Nils Minkmar (Der Spiegel, Hamburg), Mathias Müller von Blumencron (FAZ, Frankfurt), Dr. Christian Rainer (Chefredakteur und Herausgeber Profil, Wien) und Prof. Dr. Andreas Rödder (Johannes Gutenberg-Universität, Mainz).

Im Vorfeld des Colloquiums beschäftigten sich 25 ausgewählte Nachwuchsjournalisten aus den Ländern der Östlichen Partnerschaft, aus Russland sowie aus allen anderen Ländern Europas im Rahmen des fünftägigen Programms M100 Young European Journalists mit dem Thema „Investigative Journalism – Techniques, Topics, Mission and specific Challenges“. Inhalt des  Workshop waren in diesem Jahr Arbeitstechniken und Methoden der investigativen Recherche, besonders der Korruptions- und Kriegsberichterstattung, Fragetechniken, Quellenschutz, der Arbeit mit Daten sowie rechtliche Fragen. Die einzelnen Module wurden von professionellen Trainern und investigativen Journalisten der Kooperationspartner Correct!v, ICIJ, Netzwerk Recherche und OCCRP geleitet.

Über M100 Sanssouci Colloquium
Das M100 Sanssouci Colloquium ist eine Veranstaltung der Landeshauptstadt Potsdam und des Vereins Potsdam Media International e.V.. M100 wurde 2005 von Jann Jakobs, Lord Weidenfeld und Moritz van Dülmen im Rahmen der Bewerbung Potsdams zur Kulturhauptstadt 2010 initiiert und findet 2016 zum zwölften Mal statt.

Gefördert wurde die diesjährige Veranstaltung von der Stadt Potsdam, dem Medienboard Berlin-Brandenburg und dem Auswärtigen Amt.
Sponsoren: Sapinda, Qwant, Facebook, BMW und Samsung.
Kooperationspartner: Human Rights Watch, Konrad Adenauer Stiftung, Reporter ohne Grenzen, Sourcefabrik, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg sowie VDZ.

Der M100 Young European Journalists Workshop wurde gefördert vom Auswärtigen Amt und dem National Endowment for Democracy.

Kooperationspartner: Correct!v, European Youth Press ICIJ, Medieninnovationszentrum Babelsberg, Netzwerk Recherche, OCCRP, VEJ.

Weitere Informationen: www.m100potsdam.org
Aktuelles Bildmaterial zum Download: www.m100potsdam.de/presse.html

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in Berlin hat sich auf die Kommunikation und Pressearbeit in den Bereichen Kultur und Medien spezialisiert. Die Agentur wird von Dr. Kathrin Steinbrenner und Kristian Müller geführt.